In einem fast überschwänglichen Loblied auf die Hyperthermie erklärt unlängst die freie Wissenschaftsautorin Sabrina Kempe diese Behandlung in der Zeitschrift „Im Fokus Onkologie“ zur „vierten Säule der Krebstherapie„1. Sie ist damit nicht die Erste, gerade private (alternativ-) medizinische Dienstleister blasen allzu gerne ins gleiche Horn. Anlass genug, der Sache einmal auf den Grund zu gehen.
Die Idee, eine Krebserkrankung mithilfe einer Erhöhung der Körpertemperatur zu bekämpfen, ist nicht neu. Alleine der Verweis auf eine Jahrhunderte alte „Tradition“ taugt allerdings so gar nicht als Wirkungsbeweis.
Umgekehrt ist es auch nicht redlich, ein Verfahren gänzlich zu verteufeln, nur weil ein paar Scharlatane sich dessen bemächtigt haben. Leider tummeln sich auf diesem großen Markt eine Vielzahl eher fragwürdiger und nicht ausreichend überprüfter Verfahren; so dass es für Patientinnen und Patienten schwierig ist, den Überblick zu behalten. Wie so oft gilt dabei das nebenstehende Sprichwort: „trau, schau, wem!“. Aber es scheint umgekehrt für bestimmte Verfahren der Wärmebehandlung inzwischen eine ausreichende wissenschaftliche Basis zu geben. Es kommt also bei der Betrachtung, wie so oft, auf die kleinen aber feinen Unterschiede an.
Die S3-Leitlinie ‚Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer PatientInnen‘ hilft etwas dabei, Spreu vom Weizen zu trennen – sie widmet sich den unterschiedlichen Verfahren der Hyperthermie ab Seite 181 und beleuchtet im Anmerkungstext sehr ausführlich die aktuelle Evidenzlage2. Hier werden auch die „Minimalanforderungen“ für eine wissenschaftsbasierte Hyperthermie formuliert. So sollen u.a. die Temperaturen auch tatsächlich kontrolliert und das Erreichen der onkologisch wirksamen 42°C im Zielgewebe nachgewiesen werden; ein Qualitätsmerkmal, an dem bereits viele alternativmedizinische Therapieverfahren scheitern. Des Weiteren fordern die Experten, dass eine Hyperthermie immer nur begleitend zu einer Strahlentherapie oder Chemotherapie eingesetzt werden soll.
Hyperthermieverfahren ohne ausreichenden Wirknachweis
Bei der althergebrachten Methode der Hyperthermie, auf deren ‚lange Tradition‘ Befürworter gerne verweisen, handelt es sich um die so genannte Fiebertherapie oder „aktive Hyperthermie“, bei der fiebererzeugende Substanzen (Pyrogene) verabreicht werden, um den Körper in ein künstliches Fieber zu versetzen. Die Wirksamkeit dieser Behandlungsform konnte durch keine Studie belegt werden und wird von den meisten Fachgesellschaften aufgrund der teilweise unkontrollierbaren Nebenwirkungen und Komplikationen heutzutage abgelehnt. So schreibt die Krebsgesellschaft NRW etwa:
Fiebertherapien sind als gesundheitsgefährdend abzulehnen und sollten bei Krebserkrankungen auf keinen Fall angewendet werden.
Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V.3
Aber auch für die passive Erwärmung des Körpers als alleinige Therapie oder als unterstützende, begleitende Maßnahme gibt es keine ausreichende Evidenz. Eine große systematische Metaanalyse aus dem Jahr 2022 von Liebl et al. kommt etwa zu dem Schluss, dass für die Ganzkörperhyperthermie oder Elektrohyperthermie keine ausreichende klinische Evidenz besteht4. Der Krebsinformationsdienst stuft dieses Therapieverfahren daher, unter Bewertung der aktuellen Literatur, als Methode mit unbewiesener Wirksamkeit ein5.
Hauptsächlich dieses Verfahren der Ganzkörperhyperthermie aber, bzw. Abwandlungen davon, werden von diversen Anbietern auf dem großen Feld der Alternativmedizin aber zu teils horrenden Preisen angeboten.
Hyperthermieverfahren mit positiver Nutzenbewertung
Tiefenyperthermie
Bei Sarkomen im Bereich des kleinen Beckens, des Bauchraumes oder der Extremitäten kann eine Chemotherapie begleitet werden durch eine regional begrenzte Erwärmung mithilfe elektromagnetischer Wellen. Diese Empfehlung hat es auch in die aktuelle Fassung der S3-Leitlinie Weichgewebesarkome6 geschafft, an der ich mitwirken durfte.
Isolierte Extremitätenperfusion
Bei diesem Verfahren wird der Blutkreislauf in einer Extremität (Arm / Bein) isoliert, mild erwärmt und Chemotherapielösung eingeleitet. Hierdurch soll bei lokal fortgeschrittenem Wachstum eines Sarkoms oder Malignen Melanoms die Amputation verhindert werden6,7.
Hypertherme intrathorakale / intraabdominelle Chemotherapie
Bei der hyperthermen intraperitonealen Chemotherapie (HIPEC) etwa wird intraoperativ und/oder durch spezielle Kathetersysteme die Bauchhöhle mit einer erwärmten Chemotherapie gespült. Es gibt allerdings bisher nur wenige Hinweise für einen Nutzen insbesondere bei begrenztem Tumorbefall des Bauchfells (einer sog. Peritonealkarzinose) durch aus dem Bauchraum stammende Tumore wie etwa Magenkrebs, Eierstockkrebs oder Dickdarmkrebs. Insgesamt sollte diese Behandlung auch weiterhin nur im Rahmen klinischer Studien eingesetzt werden8.
Fazit
Grundsätzlich ist beim Thema Hyperthermie meiner Meinung nach eine gehörige Portion Skepsis angesagt – insbesondere, wenn allzu überschwängliche Therapieversprechen gemacht werden. Bestenfalls sollte die Hyperthermie in ein bewährtes Therapiekonzept eingebettet sein und eigentlich nur im Rahmen einer klinischen Studie angeboten werden (dann natürlich kostenlos für Patient*innen!).
Weiterführende Links
- Deutsches Krebsforschungszentrum – Hyperthermie (abgerufen am 31.07.2023)
Quellen und Anmerkungen:
- Kempe S: „Hyperthermie – die vierte Säule in der Krebsbehandlung“ Im Focus Onkologie 2023: 03. [Link] ↑
- Leitlinienprogramm Onkologie – S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer PatientInnen (abgerufen am 19.09.2023) ↑
- Krebsgesellschaft Nordrheinwestfalen – „Komplementärmedizin bei Krebserkrankungen“, veröffentlicht 07/23 (abgerufen am 18.09.2023).↑
- Liebl CM, Kutschan S, et. al: „Systematic review about complementary medical hyperthermia in oncology“, Clin Exp Med 2022, 22(4): Seite 519–565 [Artikel] ↑
- Krebsinformationsdiest – „Krebs durch Überwärmung behandeln: Welchen Nutzen haben verschiedene Hyperthermie-Verfahren?“, veröffentlicht am 19.04.23 (abgerufen am 18.09.2023). ↑
- Leitlinienprogramm Onkologie – S3-Leitlinie Adulte Weichgewebesarkome (abgerufen am 19.09.2023) ↑↑
- Leitlinienprogramm Onkologie – S3-Leitlinie Malignes Melanom (abgerufen am 19.09.2023) ↑
- Leitlinienprogramm Onkologie – S3-Leitlinie Adenokarzinome des Magens und Ösophagogastralen Übergangs (abgerufen am 19.09.2023) ↑