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»Die Milch macht’s« vielleicht doch nicht! (2)

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Ist sie nun gesund oder ist sie’s nicht? Über Milch herrscht in die­ser Hin­sicht zuneh­mend Ver­un­si­che­rung. In die­sem Teil mei­ner »Milch-Reihe« wid­me ich mich daher der span­nen­den Fra­ge, ob Milch unser Krebs­ri­si­ko beein­flusst … und wenn ja – wie?! Sind Milch­pro­duk­te eher ein Risi­ko oder ein Schutz­fak­tor in Sachen Krebs?

acai bowl, goji, berry
Typi­sche exo­ti­sche Superfoods

Man­che Lebens­mit­tel sol­len, was unse­re Gesund­heit angeht, angeb­lich wah­re Wun­der voll­brin­gen. Neu­deutsch nennt man die­se dann »Super­foods«; meis­tens kom­men sie aus fer­nen Län­dern und tra­gen exo­tisch klin­gen­de Namen wie ‚Goji‘, ‚Qinoa‘ oder ‚Acai‘.
Doch auch in hei­mi­schen Gefil­den haben wir eigent­lich genü­gend gute und gesun­de Lebens­mit­tel, die den Titel »Super­food« ver­die­nen. Kuh­milch war eben­falls lan­ge Zeit eine Kan­di­da­tin für die­se Lis­te, man schrieb ihr erfreu­lich posi­ti­ve Effek­te auf unse­re Gesund­heit zu.

milk, orange, bath
Milch äußer­lich für die Schön­heit angewendet

Dass bei den über­trie­be­nen Ver­spre­chun­gen oft mehr der Wunsch Vater des Gedan­kens war, habe ich lei­der bereits in Teil 1 fest­stel­len müs­sen, als es um die Kno­chen­ge­sund­heit ging – der Rea­li­täts­check hin­sicht­lich Osteo­po­ro­se fiel trotz aller posi­ti­ven Merk­ma­len von Milch doch eher ernüch­ternd aus… Aber viel­leicht ent­puppt sich Milch, was den Schutz vor Krebs angeht, als rele­van­ter Faktor?!
Vie­ler­lei Stu­di­en haben sich mit die­sem The­ma jeden­falls schon beschäf­tigt. Und wie immer in der Medi­zin und Wis­sen­schaft gilt: es ist kom­pli­ziert! Weil es so viel zu lesen gibt, hat es die­ses Mal etwas gedau­ert, bis ich die­sen Arti­kel fer­tig bekom­men konn­te. Im Fol­gen­den will ich ver­su­chen, die vor­han­de­ne Stu­di­en­la­ge dar­zu­stel­len und die Ergeb­nis­se ein­zu­ord­nen. 

Milch und Prostatakrebs

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»Milch macht müde Män­ner mun­ter!« … das war auch so ein Wer­be­slo­gan der 50er Jah­re. Dazu passt nur schlecht, dass eini­ge Unter­su­chun­gen in den letz­ten Jah­ren den Ver­dacht nähr­ten, Milch­kon­sum stei­ge­re mög­li­cher­wei­se das Risi­ko, an Pro­sta­ta­krebs zu erkran­ken1. Schuld hier­an könn­ten theo­re­tisch ver­schie­de­ne, natür­li­cher Wei­se in der Milch vor­kom­men­de Boten­stof­fe und Hor­mo­ne sein, zum Bei­spiel Östro­ge­ne oder die so genann­ten Insulin-Like Growth Fac­tors (IGFs)2,3.
Aller­dings sind die Evi­den­zen wider­sprüch­lich – man­che groß ange­leg­ten epi­de­mio­lo­gi­schen Ana­ly­sen sehen unter Wer­tung der vie­len unein­heit­li­chen Daten in der Sum­me kein erhöh­tes Risi­ko4, ande­re hal­ten nur bei Män­nern nach durch­ge­mach­ter Prostatakrebs-Erkrankung Milch für pro­ble­ma­tisch und machen den fort­ge­setz­ten Milch­kon­sum für eine erhöh­te Rück­fall­quo­te ver­ant­wort­lich5.
Mei­ner Erfah­rung nach spricht eine so unein­heit­li­che Daten­la­ge eher dafür, dass die Effek­te im All­tag für den Ein­zel­nen ver­nach­läs­sig­bar sind, bzw. dass noch ande­re Fak­to­ren eine Rol­le spie­len. So ver­mu­tet man bei­spiels­wei­se, dass ver­meid­ba­re Ver­un­rei­ni­gun­gen in der Milch die eigent­li­chen Übel­tä­ter sein könn­ten, wel­che die sonst för­der­li­chen Effek­te der Milch zunich­te machen6. Aus theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen lässt sich jedoch ein poten­zi­el­les Risi­ko zumin­dest für ehe­ma­li­ge Krebs­pa­ti­en­ten nicht ganz von der Hand weisen.

Milch und Eierstockkrebs

uterus, ovary, ovaries

Auch für den Eier­stock­krebs spe­ku­lier­ten Ana­ly­sen älte­ren Datums, dass eines der mög­li­chen Erkran­kungs­ri­si­ken von einem ver­mehr­ten Milch­kon­sum aus­ge­hen könn­te7. Es wur­de unter ande­rem gemut­maßt, dass dies mit einer Sti­mu­al­ti­on der kör­per­ei­ge­nen Gonadotropin-Produktion zu tun haben könn­te8.
Neue­re Stu­di­en hin­ge­gen spre­chen Milch und Milch­pro­duk­te eher vom Ver­dacht frei, für Eier­stock­krebs mit-verantwortlich zu sein, bzw. sehen höchs­tens win­zi­ge sta­tis­ti­sche Effek­te, die kli­nisch jedoch nicht rele­vant sein dürf­ten9,10. Hier gilt wohl wirk­lich: »im Zwei­fel für die Ange­klag­te«. Die Hin­wei­se für mög­li­che nega­ti­ve Effek­te sind jeden­falls deut­lich schlech­ter zu bele­gen, als beim Prostatakarzinom.

Milch könnte uns sogar vor Krebs schützen

Milk-SuperheroBis­lang sieht es für den Ruf der Milch als Super­food ja eher nicht so gut aus – bes­ten­falls macht sie kei­nen Unter­schied, schlimms­ten­falls erhöht sie das Risi­ko, an bestimm­ten Krebs­ar­ten zu erkran­ken… Es wird Zeit, dass wir über die Stu­di­en spre­chen, die Milch in Sachen Krebs in ein bes­se­res Licht rücken kön­nen – und die gibt es tat­säch­lich6!

Aktu­ell meh­ren sich zum Bei­spiel Hin­wei­se, dass der regel­mä­ßi­ge Ver­zehr von Milch und Milch­pro­duk­ten vor Dick­darm­krebs schüt­zen kann11,10. Auch das Risi­ko von Bla­sen­krebs scheint für Milch­trin­ker ver­min­dert zu sein12,11. Für Brust­krebs ist der Nut­zen von Milch weni­ger klar, aber ten­den­zi­ell immer noch vor­han­den10.

Was Gedan­ken der all­ge­mei­nen Krebs­prä­ven­ti­on angeht, so haben wir zuvor gelernt, dass Milch einen wich­ti­gen Vitamin-D-Lieferanten dar­stel­len kann, so dass ein regel­mä­ßi­ger Kon­sum von Milch und Milch­pro­duk­ten einem Man­gel vor­beu­gen hilft. Da ein Vitamin-D-Mangel wie­der­um im Ver­dacht steht, für eine erhöh­te Krebs­an­fäl­lig­keit ver­ant­wort­lich zu sein13,14, wäre Milch hier also zumin­dest indi­rekt zuträglich!

Mein vorläufiges Fazit, »Milchprodukte und Krebs«

Wie bei vie­len Lebens­mit­teln hal­ten sich bei Milch ver­mut­lich Vor- und Nach­tei­le die Waa­ge. Beson­ders belast­bar sind die Hin­wei­se weder in positiver- noch in nega­ti­ver Hin­sicht. In Anbe­tracht der unsi­che­ren Stu­di­en­la­ge wür­de ich aber zumin­dest Män­nern nach der Behand­lung eines Prostata-Karzinoms raten, vor­sichts­hal­ber ihren Milch­kon­sum eher zu reduzieren.

MilchkartonHier geht es wei­ter mit Teil 3.


In mei­nem drit­ten und letz­ten Teil der epi­schen »Milch-Saga« bli­cke ich auf ver­schie­dens­te Eigen­schaf­ten, die man der Milch – zurecht oder zu Unrecht? – zuge­schrie­ben hat.

Quellen und Anmerkungen:

  1. Dag­finn A, et al.: „Dairy Pro­ducts, Cal­ci­um, and Pro­sta­te Can­cer Risk: A Sys­te­ma­tic Review and Meta-Analysis of Cohort Stu­dies“. Am J Clin Nutr 2015, 101(1):87–117.  [Abs­tract]
  2. Male­ki­ne­jad H & Rez­a­bakhsh A: „Hor­mo­nes in Dairy Foods and Their Impact on Public Health – A Nar­ra­ti­ve Review Artic­le“. Iran J Public Health. 2015;44(6):742‐758. [Voll­text]
  3. Har­ri­son S, Len­non R, et al.: „Does Milk Inta­ke Pro­mo­te Pro­sta­te Can­cer Initia­ti­on or Pro­gres­si­on via Effects on Insulin-Like Growth Fac­tors (IGFs)? A Sys­te­ma­tic Review and Meta-Analysis“ Can­cer Cau­ses Con­trol. 2017 Jun;28(6):497–528. [Abs­tract
  4. Lopez-Plaza, B; et al.: „Milk and Dairy Pro­duct Con­sump­ti­on and Pro­sta­te Can­cer Risk and Mor­ta­li­ty: An Over­view of Sys­te­ma­tic Reviews and Meta-analyses.“ . Adv Nutr. 2019, 10(suppl_2):S212-S223 [Abs­tract]
  5. Tat D, Ken­field SA, et al.: „Milk and Other Dairy Foods in Rela­ti­on to Pro­sta­te Can­cer Recur­rence: Data From the Can­cer of the Pro­sta­te Stra­te­gic Uro­lo­gic Rese­arch Endea­vor (CaP­SU­RE™)“. Pro­sta­te. 2018 Jan;78(1):32–39. [Voll­text]
  6. Davoo­di H, Esmaei­li S & Mor­ta­za­vi­an AM: „Effects of milk and milk pro­ducts con­sump­ti­on on can­cer: A Review“. Com­pre­hen­si­ve Reviews in Food Sci­ence and Food Safe­ty, 12(3), 249–264. 10.1111/1541–4337.12011 [Cross­Ref] []
  7. Cra­ne TE, et al.: „Die­ta­ry Inta­ke and Ova­ri­an Can­cer Risk: A Sys­te­ma­tic Review“. Can­cer Epi­de­mi­ol Bio­mar­kers Prev. 2014, 23(2):255–73  [Voll­text]
  8. Fair­field KM, Hun­ter DJ, et al.: „A Pro­s­pec­ti­ve Stu­dy of Die­ta­ry Lac­to­se and Ova­ri­an Can­cer“. Int J Can­cer. 2004 Jun 10;110(2):271–7.[Voll­text
  9. Liu J, Tang W, et al.: „Milk, Yogurt, and Lac­to­se Inta­ke and Ova­ri­an Can­cer Risk: A Meta-Analysis“. Nutr Can­cer. 2015;67(1):68–72 [Abs­tract]
  10. Thor­ning TK, et al.: „Milk and Dairy Pro­ducts: Good or Bad for Human Health? An Assess­ment of the Tota­li­ty of Sci­en­ti­fic Evi­dence“ Food Nutr Res. 2016 Nov 22;60:32527 [Voll­text]
  11. Perei­ra PC: „Milk nut­ri­tio­nal com­po­si­ti­on and its role in human health“. Nut­ri­ti­on. 2014;30(6):619‐627. doi:10.1016/j.nut.2013.10.011 [Abs­tract]
  12. Kli­em KE, Givens DI: „Dairy pro­ducts in the food chain: their impact on health“. Annu Rev Food Sci Tech­nol. 2011;2:21-36. doi:10.1146/annurev-food-022510–133734 [Abs­tract]
  13. Mon­dun AM, Wein­stein SJ, et al.:„Vitamin D and Can­cer Risk and Mor­ta­li­ty: Sta­te of the Sci­ence, Gaps, and Chal­lenges“. Epi­de­mi­ol Rev. 2017 Jan; 39(1): 28–48. [Voll­text]
  14. Dimi­t­ra­ko­pou­lou V, Tsil­idis K, et al.: „Cir­cu­la­ting Vit­amin D Con­cen­tra­ti­on and Risk of Seven Can­cers: Men­de­li­an Ran­do­mi­sa­ti­on Stu­dy“. BMJ. 2017; 359: j4761. [Voll­text]

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