Konferenz

Heidelberger Bürgerforum zum Stammzellgesetz

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Poster Bürgerforum

Knapp vier­zehn Tage vor der öffent­li­chen Anhö­rung im Deut­schen Bun­des­tag zur erneu­ten Über­prü­fung des im Jah­re 2002 ver­ab­schie­de­ten Stamm­zell­ge­set­zes fand im Kom­mu­ni­ka­ti­ons­zen­trum des Deut­schen Krebs­for­schungs­zen­trums (DKFZ) ein Bür­ger­fo­rum statt, um über Pro und Kon­tra der embryo­na­len Stamm­zell­for­schung zu dis­ku­tie­ren und mög­li­che Alter­na­ti­ven auf­zu­zei­gen.
Unter dem Mot­to: „Stamm­zell­for­schung in Deutsch­land: Haben wir den Zug ver­passt?“ stell­ten sich auf Ein­la­dung von Prof. Antho­ny D. Ho fünf inter­na­tio­nal ren­no­mier­te Wis­sen­schaft­ler dem inter­es­sier­ten Publi­kum – mehr als 200 Bür­ge­rin­nen und Bür­ger aus Hei­del­berg und Umge­bung nah­men das Ange­bot ger­ne an. Prof. Ho, der als wis­sen­schaft­li­cher Exper­te eben­falls nach Ber­lin gela­den war, ver­sprach, die Mei­nun­gen und Beden­ken der Bür­ger nach Ber­lin mit­zu­neh­men.

Nach einem Gruß­wort von Bür­ger­meis­ter Dr. Joa­chim Ger­ner folg­ten die teils kon­tro­ver­sen Stel­lung­nah­men der ein­zel­nen Dis­ku­tan­ten. So trat der Medi­zin­his­to­ri­ker Prof. Axel Bau­er als ent­schie­de­ner Ver­fech­ter der bis­her gel­ten­den restrik­ti­ven Rege­lung zur embryo­na­len Stamm­zell­for­schung auf. Unter ande­rem war warf er der Wis­sen­schaft eine Schein­hei­lig­keit vor, bis­her unge­lös­te Heils­ver­spre­chen vor­zu­schie­ben, um die Tötung unge­bo­re­nen Lebens zu recht­fer­ti­gen. Wei­ter führ­te Prof. Bau­er an, selbst die inter­na­tio­nal teils wesent­lich frei­zü­gi­ge­re Rege­lung habe bis­her noch nicht zu ent­schei­den­den Fort­schrit­ten geführt. Prof. Kon­rad Bey­reu­ther vom Zen­trum für Mole­ku­la­re Bio­lo­gie Hei­del­berg (ZMBH), ehe­mals Staats­rat für Lebens- und Gesund­heits­schutz des Lan­des Baden-Württemberg, unter­strich die grund­sätz­li­che Bedeu­tung der For­schung an embryo­na­len Stamm­zel­len, um grund­le­gen­de Bio­lo­gi­sche Erkennt­nis­se zu gewin­nen. Die zugrun­de lie­gen­den Mecha­nis­men, so Bey­reu­ther, wären aber so unvier­sal, daß man sie ohne wei­te­res auch an Stamm­zel­len tie­ri­schen Ursprungs, bei­spiels­wei­se aus Mäu­sen, erfor­schen könnte.

Maus ist Maus und Mensch ist Mensch.
Prof. Sto­j­ko­vic

Ener­gi­scher Gegen­wind zu die­sem Stel­lung­nah­men kam vom aus Spa­ni­en ange­reis­ten Stamm­zell­for­schers Prof. Miod­rag Sto­j­ko­vic (CIPF, Valen­cia, ES). „Maus ist Maus und Mensch ist Mensch“, so Sto­j­ko­vic. Nach sei­ner Mei­nung sei es medi­zi­nisch und ethisch ver­tret­bar, Stamm­zel­len bis zu einem Alter von 14 in der For­schung ein­zu­set­zen. So sei es nur sinn­voll, dass Eltern soge­nann­te über­zäh­li­ge Embryo­ne, wel­che nach einer künst­li­chen Befruch­tung ent­stün­den und ansons­ten von Geset­zes wegen nur ver­nich­tet wür­den, der For­schung zur Ver­fü­gung stell­ten. Der ser­bisch­stäm­mi­ge deut­sche Tier­me­di­zi­ner und Stamm­zell­for­scher sah im aktu­el­len restrik­ti­ven Stamm­zell­ge­setz eine erns­te Gefahr für die Kon­kur­renz­fä­hig­keit der deut­schen Stamm­zell­for­schung; er führ­te gleich sein eige­nes Schick­sal als Bei­spiel hier­für auf: so sei es ihm trotz sei­ner Ver­bun­den­heit zu Deutsch­land nicht mehr mög­lich gewe­sen, sei­ne For­schung hier aus­zu­üben und er sei gezwun­gen gewe­sen, ins euro­päi­sche Aus­land abzu­wan­dern. Hier wür­den nun wis­sen­schaft­li­che Errun­gen­schaf­ten gemacht und mög­li­cher­wei­se neue The­ra­pien ent­wi­ckelt. Die­se, so Sto­j­ko­vic, wür­de man in Deutsch­land dann ver­mut­lich ger­ne anneh­men – obwohl durch For­schung an Embryo­nen gewon­nen. Hier, so Sto­j­ko­vic, lie­ge die eigent­li­che Scheinheiligkeit.

Das ist doch alles nur Schrott!
Prof. Fran­ke

In sei­ner bekann­ten unver­blüm­ten und direk­ten Art bezeich­ne­te der Hei­del­ber­ger Zell­bio­lo­ge Prof. Wer­ner W. Fran­ke die der­zeit legal ver­füg­ba­ren embryo­na­len Stamzell-Linien als „Schrott“. Die teil­wei­se jahr­zehn­te alten Zel­len sei­en zu kei­ner ver­nünf­ti­gen For­schung mehr zu gebrau­chen. Es müss­ten, so Prof. Fran­ke drin­gend neue Zel­len gewon­nen wer­den, um die aus sei­ner Sicht not­wen­di­ge For­schung zu betrei­ben. Aller­dings wären die Heils­ver­spre­chen der Stamm­zell­for­scher nur „pein­lich“, da selbst grund­le­gen­de Mecha­nis­men erst ver­stan­den wer­den müss­ten, bevor man dar­an den­ken könn­te, neue The­ra­pie­for­men zu ent­wi­ckeln. Soll­te die Wis­sen­schaft erst ein­mal so weit sein, so Fran­ke, und man könn­te mit der embryo­na­len Stamm­zell­for­schung Geld ver­die­nen, wären ethi­sche Grund­sät­ze sowie­so bald vergessen.

Nach den Stel­lung­nah­men der ein­zel­nen Gäs­te über­nahm der Wis­sen­schafts­jour­na­list Prof. Hol­ger Wormer die Mode­ra­ti­on und eröff­ne­te die Dis­kus­si­on. Nach einem neu­er­li­chen teils hit­zi­gen Aus­tausch von Argu­men­ten unter den Dis­ku­tan­ten folg­ten Fra­gen und Bei­trä­ge aus dem Publi­kum. So wur­de die Fra­ge „ab wann gilt eine befruch­te­te Eizel­le als eigen­stän­di­ges mensch­li­ches Leben?“ von den Exper­ten teil­wei­se unter­schied­lich beant­wor­tet. Wider­sprüch­lich fan­den eini­ge Bür­ger, dass Abtrei­bung zwar erlaubt sei­en, die Ver­wen­dung von über­zäh­li­gen Embryo­nen aus For­schungs­we­chen aber ver­bo­ten sei. Auch der Ein­wurf eines Bür­gers, wie sol­le man sich ver­hal­ten, wenn irgend­wann im Aus­land eine The­ra­pie­form ent­wi­ckelt wür­de, die auf embryo­na­len Stamm­zel­len beruht, reg­te zum Nach­den­ken an.
In sei­nem Schluß­wort dank­te Prof. Ho allen Betei­lig­ten und ende­te mit der Fra­ge an das Publi­kum, ob in einem ver­ein­ten Euro­pa letzt­end­lich nicht auch gemein­sa­me Moral­vor­stel­lun­gen vor­herrsch­ten – wie­so, so Prof. Ho, geht dann in Deutsch­land nicht, was in ande­ren euro­päi­schen Län­dern längst akzep­tier­te Pra­xis ist?

Von den Errun­gen­schaf­ten der Stamm­zell­for­schung (an adul­ten und embryo­na­len Stamm­zel­len) konn­te man sich übri­gens an Ort und Stel­le schon am Fol­ge­tag beim 14. inter­na­tio­na­len Sym­po­si­um „Recent Advan­ces in Stem Cell Trans­plan­ta­ti­on“ über­zeu­gen, wel­ches tra­di­tio­nell abwech­selnd von den Uni­ver­si­tä­ten Hei­del­berg und San-Diego (USA) aus­ge­rich­tet wurde.

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